Gleichbehandlungsgesetz

Ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Antidiskriminierungsgesetzes ist die befürchtete Klagewelle ausgeblieben. Trotzdem erneuerten die Arbeitgeberverbände ihre Kritik am Gesetz.

„Dieses Horrorszenario ist nicht eingetreten“, sagte die Leiterin der neuen Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Martina Köppen, dem Nachrichtenmagazin „Focus“. Der Direktor des Arbeitsgerichts Hannover, Kilian Wucherpfennig, bestätigte der Deutschen Presse-Agentur: „Das Gesetz ist zwar in aller Munde, wird aber meist nur als Drohpotenzial genutzt.“ Allerdings ist deshalb in vielen Unternehmen „die Unsicherheit groß“, wie Köpppen im „Spiegel“ einräumte.

Das am 18. August 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – auch Antidiskriminierungsgesetz genannt – soll Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern. Vor allem die Ministerpräsidenten der Union hatten sich sehr dagegen gewehrt.

Aus Sicht der Bundesbeauftragten ist es ein Erfolg. „Das Gesetz hat die Sensibilität für Gleichbehandlungsfragen erhöht und positive Prozesse angeregt“, sagte Köppen. Die Gerichte seien „durchaus in der Lage, fingierte Fälle von echter Diskriminierung zu unterscheiden und Abzocker zu enttarnen“.

Schon während der Aufbauphase ihrer Abteilung hätten sich in den vergangenen Monaten 2300 Anfragen angesammelt, bei denen neben Alter und Geschlecht „auch mögliche Diskriminierungen von Behinderten eine größere Rolle“ gespielt hätten. Um die anhaltende Skepsis vor allem in Unternehmen zu überwinden, will Köppen das Gespräch mit Firmen und Verbänden suchen. „Ich möchte einen Pakt mit der Wirtschaft schließen“, kündigte sie an. So soll ein Lernprogramm auf der Internetseite ihrer Beschwerdestelle den Firmen helfen, sich auf die Regeln einzustellen.

Nur drei Klagen in Niedersachsen
Der Vizepräsident des niedersächsischen Landesarbeitsgerichts, Heinrich Kiel, sagte in Hannover, durchschnittlich hätten die rund 70 zuständigen Kammern in Niedersachsen bisher nicht mehr als drei Klagen nach dem neuen Gesetz verhandelt. Zumeist sei es um Alters- und Geschlechtsdiskriminierung gegangen in Bezug auf Kündigungen und Abfindungszahlungen.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) erneuerte indes ihre Kritik an dem Gesetz. „Es sollte dafür sorgen, dass Behinderte, Ältere oder Homosexuelle schneller eingestellt werden. Das ist auf keinen Fall geschehen“, sagte die zuständige BDA-Referentin Kristina Schütt. „Die Arbeitgeber sind eher vorsichtiger geworden, weil die Rechtfertigung der Bewerberauswahl so schwierig geworden ist.“ Um die Firmen gegen betrügerische Ausnutzung des Gesetzes zu schützen, baue die BDA in Berlin ein Archiv mit Hinweisen auf Personen auf, die sich nur zum Schein auf ausgeschriebene Stellen bewürben und dann mit Verweis auf das Gleichbehandlungsgesetz Entschädigungen erstreiten wollten.

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