Entkoppelt – Abseits für Abhängigkeit von USA

Wichtige Nachrichten für die weitere Entwicklung der Rohstoff- und Aktienmärkte vom Weltwirtschaftsforum aus Davos.

Eine Abseitssituation liegt vor, wenn ein Spieler in einer Abseitsposition steht und aktiv in das Spielgeschehen eingreift.

Die wirklich bewegenden Nachrichten werden von den Massenmedien im allgemeinen Trubel um die Börsen völlig verschwiegen. Die Aussagen der chinesischen Regierungs- und Wirtschaftsvertreter in Davos sind mehr als erstaunlich und es wundert doch sehr, dass diese überhaupt nicht in den Massenmedien Erwähnung finden. Dort behauptete gestern der Vizepräsident des Volkskongress, Chen Siwei, dass man in China die aktuelle Debatte um eine US-Rezession sehr gelassen sieht.

„Für 2007 hatten wir ein Wachstum von 8 Prozent geplant und landeten wegen der überhitzten Weltkonjunktur bei 11,5%. In diesem Jahr werden wir durch die US-Krise dort landen.“ Und es sei ja nicht nur China, dass sich seit Jahren von der US-Konjunktur schon abgekoppelt habe, sondern mehr als 100 Staaten weltweit wachsen mit mehr als 4%. Sie seien längst entkoppelt von der US-Wirtschaft.

So scheint China die abgebremste US-Wirtschaft als hilfreich anzusehen, damit das Wachstum nicht wieder deutlich über die Zielmarke von 8% hinausschießt. Sieht mit diesen chinesischen „Problemen“ die Welt am Vorabend einer Weltrezession so aus?

Zudem meinten chinesische Vertreter, dass man trotz US-Krise eher mit 9% als der avisierten 8% Wachstum rechne. Und dies auch über Jahre hinaus. Die größte Infrastruktur-Investition der Weltgeschichte, bei gleichzeitig größter Migration der Weltgeschichte (250 Millionen Menschen sollen in den nächsten 25 Jahren noch urbanisiert werden) wird anscheinend immer noch unterschätzt. Die „chinesische Blase“, die viele bald Platzen sehen, könnte daher noch weitere10 Jahre „aufgepumpt“ werden. Die Luft wird am chinesischen Aktienmarkt sicher immer wieder raus gelassen werden. Aber eine Umkehr der chinesischen Industrialisierung und Verstädterung scheint kaum denkbar.

„Die chinesische Finanzpolitik hat genug Spielraum, um in einem „Notfall“ die Wirtschaft zu stützen“ meinte auch der Direktor des chinesischen Weltwirtschaftsinstituts, Yu Yongding.
Die Frage, von der alles abhängt, ist die, ob sich der chinesische Drache in den kommenden Monaten erfolgreich gegen die Bären aus Amerika wehren kann. Damit würde die Volksrepublik die Rolle als Konjunktur-Motor der Welt übernehmen. Chinas Wirtschaft jedenfalls wächst ungebremst: Das Reich der Mitte hat im vergangenen Jahr ein Wachstum von 11,4 % erzielt, wie das nationale Statistikbüro am Donnerstag in Peking mitteilte. Dies war das fünfte Jahr mit einem Wachstum von mehr als 10 %. Damit ist das Land auf gutem Wege, Deutschland in diesem Jahr als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt abzulösen. Peking hat allerdings ein echtes Problem: Eine galoppierende Inflation. Chinas Verbraucherpreise sind 2007 aufgrund steigender Lebensmittelkosten mit 4,8 % sogar stärker gewachsen als erwartet. Der Wert ist der höchste seit mehr als zehn Jahren und liegt über der angepeilten Inflation von höchstens 3 %.

Möglicherweise müssen wir uns darauf einstellen, dass Peking nun kräftig auf die Bremse tritt, um die Inflation herunter zu fahren. Peking hatte Ende 2007 bereits “entschiedene Maßnahmen“ angekündigt und will nun seine Geldpolitik verschärfen. Der kräftige Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts lag damals bereits leicht unter den jüngsten Voraussagen von 11,5 %, da sich der Anstieg im letzten Quartal 2007 etwas verlangsamt hatte. Peking könnte dafür sorgen, dass weniger Geld als bisher an den Aktienmarkt fließt.

Völlig unbeeindruckt ist man auch bei den Preisverhandlungen für Eisenerz. Der Preis wird wohl im März um circa 50% erhöht. Glaubt jemand ernsthaft, die Chinesen würden erneut 50% mehr für Eisenerz zahlen, wenn sie den globalen Einbruch befürchten?

Indiens Handelsminister Kamal Nath meinte zwar, dass sich niemand komplett von den USA abkoppeln könne, aber das Wachstum der meisten dieser Länder von Innen komme. So sei auch das indische Wachstum von innen getragen. Diese Aussagen sind Balsam für die Rohstoffmärkte, die am wohl und wehe des Schwellenländer-Wachstums hängen.

Öl, Kupfer und andere Basismetalle gingen danach deutlich ins Plus. Warum wurde diese nicht ganz unwichtige Aussage von den Medien tot geschwiegen oder übersehen?

Man wird das Gefühl nicht los, als wäre in den letzten Tagen eine Panik erzeugt worden, die einigen Marktteilnehmern sehr gelegen kam.

„Wenn die USA husten, bekommt Mexiko eine Grippe“

Den Vereinigten Staaten droht eine dicke Grippe in Form einer Rezession. Mexiko und Kanada fürchten sich davor, von dem kränkelnden Nachbarn angesteckt zu werden. Immerhin nahmen die USA von Januar bis August 2007 80 Prozent der kanadischen und 77 Prozent der mexikanischen Exporte ab.

OTTAWA/MEXIKO-STADT. Seinen Abgang hatte sich Kanadas Notenbankchef David Dodge sicher entspannter vorgestellt. Bevor er Ende des Monats aus dem Amt scheidet, verabschiedete er sich mit der Senkung des Leitzinses und gab für seinen Nachfolger Mark Carney gleich die Richtung vor: Weitere Zinsschritte seien wohl notwendig, um die durch den US-Abschwung bedrohte Konjunktur in Fahrt zu halten.

Auch in Mexiko schrillen die Alarmglocken: „Wenn die USA husten, bekommt Mexiko eine Grippe“, warnen Analysten immer wieder. Nun droht den USA selbst eine dicke Grippe, was in Mexiko zu einer schweren Lungenentzündung führen könnte.

Seit 1994 sind die USA, Kanada und Mexiko in der Freihandelszone Nafta vereint. Von Januar bis August 2007 nahmen die USA rund 77 Prozent der mexikanischen und 80 Prozent der kanadischen Exporte ab. Im Gegenzug importierten Mexiko und Kanada mehr als die Hälfte ihrer Waren aus den Vereinigten Staaten. Entsprechend groß ist die Furcht, sich beim kränkelnden großen Nachbarn anzustecken. „Bis zu 21 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hängen an den Exporten in die USA“, erklärt Rodolfo Navarrete vom mexikanischen Investmenthaus Véctor.

Einen Tag nach dem Crash an den internationalen Börsen sah deshalb auch Mexikos Präsident Felipe Calderón den Moment zum Eingreifen gekommen. „Trotz der schwierigen Lage der US-Wirtschaft werden wir auf Wachstumskurs bleiben“, versprach er am Dienstag – und kündigte gleichzeitig ein umfangreiches Investitionsprogramm an, das die Volkswirtschaft des Schwellenlandes auf Touren bringen soll. 50 Mrd. Dollar pro Jahr will der konservative Staatschef in die Infrastruktur, den Wohnungsbau und den Tourismus investieren. Außerdem soll das Paket Mexikos Exporteuren helfen, sich neue Absatzmärkte zu erschließen – vor allem in Asien und Europa.

Zuvor hatte Calderón harsche Kritik einstecken müssen: „Absolut nichts“ habe die Regierung getan, um die Auswirkungen der drohenden US-Rezession, die sich schon länger abzeichne, zu mildern, sagt etwa Ökonom Navarrete. Es fehle eine langfristige Politik, zumal Mexiko – anders als Kanada – keinen funktionierenden Inlandsmarkt habe, der die Verluste im Exportgeschäft auffangen könnte.

„Uns retten bisher vor allem die hohen Öleinnahmen“, betont Navarrete. Mit einer Fördermenge von 3,2 Mill. Fass pro Tag ist Mexiko der fünftgrößte Erdölproduzent und der sechstgrößte Ölexporteur der Welt. Knapp 40 Prozent des Staatshaushalts finanzieren sich aus dem Ölverkauf.

Der US-Chefökonom bei der spanischen Bank BBVA, Nathaniel Karp, sieht Mexiko aber besser gewappnet für eine Rezession als noch 2001: „Die Inflation ist niedriger, die Handelsbilanz verbessert und die Wirtschaft ist stärker diversifiziert.“

Das Investmenthaus Véctor schätzt trotzdem, dass Mexikos Wirtschaftsleistung 2008 nur um zwei bis 2,5 Prozent zulegen wird – und nicht um 3,7 Prozent, wie die Regierung derzeit noch prognostiziert. Damit würde Mexiko erneut zu den am schwächsten wachsenden Ländern Lateinamerikas gehören.

Auch in Kanada setzen Verbände, Gewerkschaften, Opposition und einige Provinzen Premier Stephen Harper unter Druck, endlich zu handeln. Die konservative Regierung erwägt deshalb, speziell betroffenen Branchen wie der Forstwirtschaft oder Gemeinden mit problematischer Mono-Wirtschaft eine Mrd. kanadische Dollar zur Verfügung zu stellen. Sie will diese Finanzspritze aber im Februar mit dem Etatentwurf verbinden. So könnte die Regierung, die im Parlament keine Mehrheit hat, die Opposition zwingen, den Haushalt mitzutragen und so ihr Überleben zu sichern.

Finanzminister Jim Flaherty erklärte, in Kanada sollten nun erstmal die 2007 beschlossenen Steuersenkungen von 14,7 Mrd. kanadischen Dollar wirken. Ob das reicht, wird sich zeigen. Jayson Myers, Präsident des Verbandes des produzierenden und exportierenden Gewerbes, sieht seine Industrie von einem „perfekten Sturm“ bedroht, der sich durch den starken kanadischen Dollar und die US-Krise, die den Absatz kanadischer Produkte gefährdet, zusammenbraut.

Stecke die US-Wirtschaft in Schwierigkeiten, bestehe grundsätzlich Gefahr für Kanada, meint auch Avery Shenfeld von CIBC Worldmarkets. „Aber Kanada wird keine Rezession erleben, wenn die USA lediglich eine milde Rezession durchlaufen“, sagt der Analyst, dessen Haus weder für die USA noch für Kanada ein Schrumpfen der Volkswirtschaft prognostiziert.

Für den Optimismus gibt es mehrere Gründe: „Das Herz des Schocks in den USA ist der Immobilienmarkt. Und der ist in Kanada recht gesund“, urteilt Shenfeld. Sherry Cooper, Chef-Ökonomin von BMO Nesbitt-Burns, glaubt zwar, dass der Abschwung in den USA nach Kanada überschwappen wird, weshalb sie die Wachstumsprognose für 2008 von 2,2 auf 1,4 Prozent gesenkt hat. Allerdings gäben die soliden Staatsfinanzen der Regierung Handlungsspielraum.

Der liberale Oppositionschef Stephane Dion kündigt unterdessen bereits an, der Wirtschaft im Falle eines Sieges bei den eventuell schon 2008 anstehenden Neuwahlen mit „strategischen Investitionen“ helfen zu wollen. Die Liberalen hatten in den 90er-Jahren mit einem harten Sparkurs die Staatsfinanzen saniert und den Konservativen vor zwei Jahren einen intakten Etat übergeben. Sollte nun der wirtschaftliche Einbruch stärker ausfallen als derzeit erwartet oder gar der Rückfall in ein Haushaltsdefizit drohen, wäre das für Premier Harper wahrlich keine Wahlkampfmunition.

Quelle: Handelsblatt.com

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