Deutsche Banken und Spekulationsblase

(Von Heiko Böhmer übernommen/© Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG)

Es ist wohl noch zu früh für eine Entwarnung an den internationalen Kapitalmärkten.
Völlig überraschend sind seit gestern die deutschen Small- und Mid-Caps unter die Räder gekommen. Was in der vergangenen Woche mit der Schieflage der IKB Bank angefangen hat, erfasst seit gestern alle Branchen deutscher Aktien aus der zweiten und dritten Reihe.

Substanzaktien wie Salzgitter oder auch Klöckner & Co. haben in der Spitze rund 15% an Wert verloren – und das in nur zwei Handelstagen. Obwohl diese Titel rein gar nichts mit der US-Kreditkrise zu tun haben, greift eine Verkaufspanik um sich. Sicherlich sind diese Werte in den vergangenen 12 Monaten besonders gut gelaufen, doch die Bewertung ist immer noch nicht hoch und die ausgewiesenen Gewinne notieren bei vielen Unternehmen auf Rekordhoch. Ein Beispiel dafür ist die IVG Immobilien AG. Das Bonner Unternehmen hatte schon in der Vorwoche die Eckdaten zum 1. Halbjahr 2007 präsentiert. Gestern nun folgten die Details. Die Quintessenz: IVG hat ein Rekordergebnis in den ersten 6 Monaten erzielt und hat vor allem beim Gewinn voraussichtlich ein Rekordjahr vor sich. Doch bei den nervösen Märkten gab die Aktie gestern und auch heute jeweils mehr als 1% ab.

Bilanzdaten spielen kaum eine Rolle
Überhaupt spielen die Bilanzdaten zum 1. Halbjahr in einer solchen Marktphase nur eine untergeordnete Rolle. Und das obwohl in dieser Woche eine große Anzahl deutscher Small- und Mid-Caps gute bis sehr gute Zahlen vorgelegt haben. Die Kurse werden derzeit mit anderen Nachrichten gemacht. Wie nervös dabei der Markt ist, zeigte sich gestern im Tagesverlauf. Am Vormittag gab es kurzzeitig ein Gerücht, dass die Sondersitzung der EZB einberufen worden sei, weil eine weitere deutsche Bank, namentlich die WestLB, in eine Schieflage geraten sei. Sicherlich hat das Düsseldorfer Institut ein verheerendes Halbjahr hinter sich, aber von Seiten der EZB wurde dieses Gerücht dann schnell dementiert.

Vielmehr lag der Grund der Sondersitzung in dem Liquiditätsengpass am Geldmarkt. Hier versorgen sich die Kreditinstitute mit frischem Kapital. Doch ausgelöst durch die Vorgänge der vergangenen Tage war die Kreditvergabe gestern fast zum Erliegen gekommen. Ein Markteilnehmer beschrieb die drastische Situation wie folgt: „Es gibt Vorstände von Banken, die ihren Geldhändlern gesagt haben: Selbst wenn wir Geld übrig haben, verleihen wir nichts. Wer weiß, was morgen passiert?“

Zur Entspannung der Lage hat dann die EZB mit einem so genannten Schnelltender 95 Mrd. Euro zu einem Zinssatz von 4% in den Markt gepumpt. Das ist die größte Summe, die jemals von der EZB als Liquiditätshilfe zur Verfügung gestellt worden ist. Eine ähnlich große Aktion hatte es zuletzt nur nach den Terroranschlägen des 11. September gegeben.

EZB-Aktion soll den Markt stabilisieren
Laut Erik F. Nielsen, Europäischer Chefökonom bei Goldman Sachs, ist diese Aktion der EZB ein sehr gutes Beispiel für aktive Zentralbankpolitik und sollte dem Markt eine gewisse Stabilität geben. Dennoch bleiben seiner Einschätzung nach noch einige Fragen offen: Sollte es noch weitere Probleme bei europäischen Banken geben, wie groß fallen diese dann aus? Im Fall der IKB hat sich sehr schnell eine Art Hilfsfonds gefunden. Doch wie oft ist diese Aktion noch wiederholt, wenn die Summen größer werden sollten, fragt Nielsen weiter.

Der Ausverkauf ist also wohl doch noch nicht beendet und die Nervosität hat alle Anlageklassen – mit Ausnahme der Anleihen –erreicht. Bei den Rohstoffen gab es gestern auch einen regelrechten Sell-off. Vor allem die Industriemetalle kamen mit Abschlägen von bis zu 8% (beim Blei) schwer unter die Räder. Auch der Ölpreis setzte die Talfahrt der vergangenen Tage fort und sackte wieder unter die Marke von 70 Dollar pro Barrel.

Für die kommenden Tage ist erst einmal Zurückhaltung angesagt, denn durch die weit verbreitete Nervosität ist die eigentlich spannende fundamentale Bewertung erst einmal in den Hintergrund getreten. So wird der MDAX nach dem Kursrutsch dieser Woche nur noch mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis deutlich unter dem 20-Jahres-Schnitt gehandelt. Trotz dieser attraktiven Bewertung ist es ratsam in den kommenden Tagen sein Pulver erst einmal trocken zu halten.

Heiko Böhmer
Chefredakteur „Privatfinanz-Letter“
Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG

Herausgeber: Hans-Joachim Oberhettinger

Redaktion: Heiko Böhmer

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