Vollkaskomentalität führt in die Krise

Hat der US-Dollar die Wende geschafft?

14.09.2008 vom www.boersen-kurier.com

Seit sechs Jahren befindet sich der USD in einem Abwärtstrend. Seit Mitte Juli aber beobachten wir zum ersten Mal seit dieser Zeit mehrwöchige Erholungsphasen, die zu einer Aufwertung der amerikanischen Währung von ca. 10 % gegenüber den meisten wichtigen Divisen geführt hat. Ist das dass Ende der Dollar-Baisse oder nur ein Zwischenhoch?

Dollar steigt trotz schwacher Konjunkturdaten

Prinzipiell wäre ein möglicher Grund für eine Dollaraufwertung die signifikante Wiederbelebung der US-Konjunktur. Aber dafür gibt es keine Anzeichen. Finanzmarktkrise, Immobilienmarkt, Arbeitsmarkt und die meisten Frühindikatoren sprechen eher dafür, dass die amerikanische Wirtschaft vor einem sehr schweren Semester steht. Das zuletzt überraschend hoch ausgewiesene BIP von 3,3 % ist sehr wahrscheinlich dem amerikanischen Konjunkturprogramm geschuldet und damit einem Sondereffekt, der in den kommenden Quartalen wegfallen wird. Es ist wahrscheinlich, dass die offiziellen BIP-Prognosen von 1,5 Prozent für dieses und 1,1 Prozent für das kommende Jahr zu optimistisch sind.
Die staatliche Rettung der Hypothekenfinanzierer Freddie Mac und Fannie Mae wird ein gigantisches Loch in den US-Haushalt reißen. Wie das Congressional Budget Office in der vergangenen Woche mitteilte, wird das Defizit im US-Etat im nächsten Halbjahr auf 438 Mrd. USD steigen. Im vergangenen Haushaltsjahr lag es noch bei 162 Mrd. USD. Auch wenn z. B. Lehman Brothers, die vor dem Aus stehen, mit Hilfe des Finanzministeriums und der Fed an die Bank of America oder Barclays verkauft werden sollte, sind weitere staatliche Rettungsaktionen nicht ausgeschlossen. Die Finanzmarktkrise tobt und weitere dramatische „Überraschungen“ mit negativer Wirkung auf die Gesamtkonjunktur sind wahrscheinlich. Das spricht gegen eine langfristige Dollar-Erholung zum jetzigen Zeitpunkt.

Zukünftiger Präsident hat kaum Handlungsspielraum

Mit Sicherheit ist ein Teil des Dollaranstiegs dem bevorstehenden Ende der Ära Bush geschuldet, in deren Verlauf sich der im Jahr 2000 von Bill Clinton übernommene Etatüberschuss in ein Defizit von 9,6 Bill. Dollar verwandelt hat.
Der kommende Präsident, sei es John McCain oder Barack Obama, wird angesichts dieses Schuldenberges kaum wirtschaftspolitischen Spielraum etwa für weitere Steuersenkungen und Konjunkturpakte haben. Gleichzeitig wird aufgrund der hohen Inflationsraten mittel- bis langfristig der amerikanische Leitzins steigen müssen, dabei aber die US-Konjunktur weiter abwürgen. 

Schwäche der Handelspartner stützt Dollar

Der größte Anteil der aktuellen Dollarerholung ist wahrscheinlich der noch größeren Schwäche der Handelspartner der USA, etwa Europa, Großbritannien und Japan, die vor einer Rezession stehen, geschuldet als der eigenen Stärke.
Im Moment noch liegen die Leitzinsen der meisten Handelspartner über dem Niveau des US-Leitzinses. Die Devisenmärkte dürften aber darauf spekulieren, dass sich erstens die US-Konjunktur mittel- bis langfristig schneller erholen und der US-Zins steigen wird, während etwa in Europa der Leitzins auf dem aktuellen Niveau verharren oder gar gesenkt werden könnte.
Zweitens dürfte an den Märkten mehr und mehr auf ein Ende der Finanzmarktkrise spekuliert werden. In diesem Szenario hätte Bernanke etwa ab dem kommenden Frühjahr Spielraum für erste Zinserhöhungen. In beiden Szenarien würde sich die Zinsschere zugunsten des US-Dollars schließen.

Konsolidierung statt Retten!

Aus unserer Sicht ist das Gros der Investoren zu optimistisch. Selbstverständlich ist es richtig, dass die Hausse in der Baisse geboren wird und gerade Zeiten größter Krisen die größten Chancen bieten.
In der Vergangenheit hat es sich immer wieder gezeigt, dass sich die USA von Krisen wesentlich schneller erholt haben, als die meisten anderen Industrieländer. Richtig ist auch, dass die US-Wirtschaft im letzten Jahr wesentlich früher mit Rezessionstendenzen zu kämpfen hatte, als etwa Europa. Und richtig ist auch, dass der konjunkturelle Abschwung der USA Europa mit Verzögerung in eine Rezession führen könnte und sich der Glaube an die Abkopplung der europäischen Konjunktur als schwerwiegender Irrtum erwiesen hat.
Aber daraus folgt nicht, dass die USA die aktuelle Krisen, mit denen sich Europa zeitverzögert konfrontiert sieht, schon gemeistert hätte. Vor allem erscheint es uns die Zuversicht der meisten Beobachter fatal, durch die staatlichen Rettungsaktionen wären auch nur Wege aus der Krise geebnet worden. Vielmehr handelt es sich um die größte Umschuldungsaktion der Finanzgeschichte.
Die Außerkraftsetzung der Marktmechanismen durch staatliche Sicherungsgarantien hilft das Risikomanagement der Banken in keiner Weise zu verbessern, sondern schürt im Gegenteil die Vollkaskomentalität, die allererst in die Krise geführt hat, weiter an.
Darüber hinaus aber muss klar sein, dass Rettungsaktionen nichts anderes als ein Spiel auf Zeit sind; ganz ähnlich der Strategie der Banken selbst, die ihre Abschreibungen nur scheibchenweise vornehmen und in der Zwischenzeit auf eine Verbesserung des Marktes für ihre in Schieflage geratenen Finanzprodukte hoffen. In ähnlicher Weise hoffen US-Kongress, Finanzministerium und Fed, dass die zukünftige Wirtschaftskraft und damit die Steuereinnahmen für die Schuldentilgung ausreichen werden.
Diese Refinanzierung der privaten Schulden der Banken durch die Steuerzahler kann in Zukunft aber nur gelingen, wenn zukünftige Konjunkturaufschwünge nicht allein dem billigen Geld und damit nichts weiter als künstlichen Blasenbildungen geschuldet sind, sondern auf reformierten, stabilen und auf Langfristigkeit ausgerichteten Grundstrukturen fußen.
Diesen notwendigen grundlegenden Konsolidierungsprozess der US-Wirtschaft können wir im Moment nicht erkennen.

Fazit

Die fundamentalen Rahmenbedingungen für den US-Dollar sind mittel- bis langfristig entweder zu schlecht oder aber zu aufgrund der Finanzmarktkrise zu wenig kalkulierbar, als dass zum jetzigen Augenblick von einer Trendwende gesprochen werden kann. Wir sehen deshalb bis auf weiteres in der aktuellen Dollaraufwertung die Bildung eines Zwischenhochs, das aufgrund des zu großen Optimismus der meisten Marktteilnehmer bis Oktober noch bis auf maximal etwa 0,73-0,74 Euro reichen könnte.

 

vom www.boersen-kurier.com / 14.09.2008

 

 

 

 

 

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