Finanzwelt – die produzierte Naturkatastrophe

Es ist der 1. Mai, der Tag der Arbeit. Wirtschaftsexperten und -philosophen loben die Analysten, die würden so früh und so gut die vorhandenen Daten auswerten und daraus entsprechend passende spekulative Maßnahmen ergreiffen und damit als Frühindikatoren auf langa bekannte Probleme hinweisen. Das sie dann auch noch spekulieren ist nur eine logische Konsequenz. Bei aller Kritik an den Banken muss man aber ehrlicherweise sagen, dass sie nur die Spielwiesen nutzen, die ihnen eine verfehlte Politik immer wieder bietet. Die Ungleichgewichte der Eurozone sind doch geradezu eine Einladung zur Spekulation.Was auch bei diesen gelehrten Herren untergeht ist der Wert der Arbeit. Mit Geld anderes Geld zu verdienen ist keine Arbeit. Diese wirtschaftliche Praxis entzieht eher dem Markt das Geld für Investitionen und schafft mit der analytischen Finanzphilosphie eine eigene Welt mit eigenen Gesetzen, die mit den Gesetzen der auf Arbeit basierenden Wirtschaft nichts zu tun haben. Vor allem ist es die verherende Wirkung auf die Lohnsenkungen, die diese Spekulationen verursachen. Und hier steht die Finanzwelt mit der Arbeitswelt in Verbindung. Um bessere Renditen und Gewinne bei Renditeplanung erreichen zu können, muss bei dem größten Anteil an Produktionskosten angesetzt werden, nämlich bei der Bezahlung menschlicher Arbeitskraft. Und hier beißt sich die Katze in Schwanz. Für billigere Löhne zu produzieren schafft die Illusion als ob von den billiger gewordenen Waren mehr gekauft würde. Das ist aber nicht der Fall. Die verarmten Konsumenten werden am Konsum nicht interessiert sein, sondern kaufen nur das, was zum Leben notwendig ist. Dass es so ist können wir daran merken, wenn bereits jetzt schon schleichend Preissteigerungen vorgenommen werden, in dem in den Verpackungen einfach ein kleinwenig weniger eingepackt wird, sozusagen kaum merklich, ein Bonbon weniger oder ähnlich. In der Summe der Massenproduktion wirkt es sich für den Hersteller dann sogar global aus. Was für ein schönes Wort: global. Es vermittelt die Phantasie, es könnte alles toll oder alles schlecht sein, jenachdem, wie man es gerade braucht. Der 1. Mai erinnert uns daran, dass gearbeitet werden muss, damit etwas getauscht, verkauft oder gelagert werden kann. Und es erinnert daran, dass so gearbeitet und Arbeit so bezahlt werden muss, dass die Bevölkerung dabei gesund und ein Partner mit Würde beim Arbeitsvertrag bleiben kann. Im Moment bestimmen die Moral die Leute, die Zugriff zu den Gelddruckmaschinen haben. Wenn sie da auf den Druckknopf der Gelddruckmaschine drücken, dann sind sie bereits außerhalb der Realität – außerhalb der Arbeitsrealität in der eigenen Welt aus Definitionen. Vielleicht wäre für diese Politiker und Banker, für Analysten ein Praktikum in produzierendem Gewerbe ganz hilfreich. Ist ja heute ja eh modern, fürs Praktikum und nicht für das Leben zu lernen.

Athen-Hilfe: Achillesferse der Merkel-Regierung

Deutschland ist wahrscheinlich mit 55,9 Milliarden, alleine in Griechenland mit 16,4 Milliarden Euro, andere EU-Länder sind in den fraglichen Staaten der Eurozone etwa mit 134,6 Milliarden EURO engagiert. Französische Banken könnten alleine in Griechenland mit 56 Milliarden dabei sein.

Beteiligung der Banken an EU-Staaten

Die obige Tabelle zeigt (zusammengestellt nach Zahlen aus FTD), in welchem Maße deutsche Banken und ausländische Banken der EU-Länder in Griechenland und anderen europäischen Ländern mit Kreditvergabe und Engagements in Staatsanleihen in etwa beteiligt sind.

Programm für Griechenland ist Bankenrettung 2.0

„…Den europäischen Partnern schließlich sollte man in Erinnerung rufen, dass es sich bei dem Programm für Griechenland genau genommen um eine Bankenrettung 2.0 handelt. Denn die Käufer griechischer Staatsanleihen, hauptsächlich professionelle Anleger, müssen zur Genesung nichts beitragen – bisher zumindest. Im Gegenteil: Da sind ein paar hübsche Gewinne drin, wenn man mit den griechischen Papieren gut und geschickt jongliert. Das Publikum staunt und wundert sich…“

Berlin berät derzeit über Milliardenhilfen für Athen. „Wir sollten nicht zahlen“, sagt Hans-Werner Sinn vom Institut für Wirtschaftsforschung im ZDF. Das Geld wäre für Deutschland verloren. Und: Vor allem französische Gläubigerbanken würden profitieren.

„…Köhler warf der internationalen Finanzindustrie vor, mit unverantwortlichem Treiben und sogenannten Finanzinnovationen zwar ihre eigenen Gewinne in die Höhe getrieben zu haben, aber Risiken für alle anderen zu produzieren. „Die Gewinne haben wenige gemacht, die Verluste muss die Allgemeinheit tragen.“ Der vorherrschende Finanzkapitalismus könne kein Leitbild mehr sein, weil er vor allem auf Pump und Wetten aufbaue. Bereits vor zwei Jahren hatte der Bundespräsident die Finanzmärkte als Monster bezeichnet, das ganze Staaten und Gesellschaften destabilisiere. Der „Pumpkapitalismus“ untergrabe gar die demokratische Ordnung der westlichen Staaten, warnte Köhler. Zugleich warnte der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) davor, dass sich ohne eine straffe internationale Regulierung eine Finanzkrise jederzeit wiederholen könne…“ (Köhler gegen „Pump und Wetten“ auf ZDF.de)

In den Medien und von den Politikern wird meistens über die Finanzkrise seit mehr als 2 Jahren so gesprochen, als ob es sich um eine schicksalhafte, nicht abwendbare und deshalb plötzlich über uns hereingebrochene Naturkatastrophe handeln würde. Dabei ist nichts anderes passiert, als Bundespräsident Horst Köhler angesprochen habe: es wird munter auf Pump nicht nur gelebt, sondern auch noch spekuliert. Und hier hört es auf, verständlich, demokratisch zu sein und hat mit einer Verantwortung für ein gedeihliches Gemeinwesen nichts mehr zu tun.

Ich fand schon die Rettungspakete für die Banken falsch, die sich in dem internationalem Durcheinander an „innovativen Bankenprodukten“ verzockt haben oder schlicht über den Tisch gezogen wurden. Ich hätte nichts gezahlt und darauf gewartet, wie sich das Bankenwesen selbst aus der selbst verursachten Krise hilft und befreit. Der Rückgriff auf Steuergelder zu Sozialisierung der Verluste macht ökonomisch und im Rahmen einer sozialen Marktwirtschaft keinen Sinn. Es beraubt den Staat, der dann nicht in der Lage ist, seinen Aufgaben für die Bevölkerung nachzukommen. Die Summe, die für den Bundeshaushalt zusätzlich an Schulden aufgenommen werden muss ist ziemlich gleich mit der Summe, die uns die Privatisierung von HRE und Sozialisierung der Verluste verschiedener Banken gekostet hat.

Die EU-Staaten sind nicht für die Kreditabsprachen zwischen den Banken und beispielweise Griechenland verantwortlich. Im Prinzip würden wir mit einer sog. Griechenland-Hilfe nicht Griechenland unterstützen, sondern zum zweiten Mal die Banken, in Deutschland, Frankreich und England.

Wenn die globale Finanzwelt so eine überragende Bedeutung habe, dann muss sie ohne Steuergelder auskommen. Hier ist die Bundesregierung gefordert, im internationalen Bereich dafür zu sorgen, dass finanztechnisch unmoralische Bankenprodukte schlicht verboten werden. Und es wäre gut möglich, damit in Deutschland anzufangen. Warum muss ein Land mit hervorragenden Produkten auch noch auf den Finanzmärkten mitzocken? Und damit gerade diese Produkte im Wert vermindern? Derivate, Zertifikate und all die anderen exotischen Hilfsmittel zum Drucken von Banknoten machen es den Verhandlungspartnern verdammt schwer, beim Handelsabschluss den realen Wert festzustellen. Sie orientieren sich beide an der Finanzwelt, die wiederum aber keine einzige Schraube angezogen hat.

Machen wir uns nichts vor: Die „Ackermänner“ dieser Welt haben bereits weitgehend das internationale Finanzsystem faktisch dem Zugriff der Regierungen entzogen. Sie kontrollieren „systemisch“ die Kreditversorgung der Wirtschaft und betreiben ihre lukrativen Finanzgeschäfte unkontrolliert in eigener Regie. Die Banken- und Börsenaufsicht kann sie eigentlich nur amüsieren: Denn etwa 90 Prozent aller Derivate werden offiziell an der Börsenaufsicht vorbei „over the counter“ direkt zwischen Käufer und Verkäufer gehandelt. Da kann die Finanzaufsicht in Bonn noch so wild mit den Augen rollen – hier ist sie nur ein Papiertiger, der allenfalls kontrollieren kann, ob die Banken in der Schalterhalle ihre Geschäftsbedingungen ordnungsgemäß ausgehängt haben.

Die internationalen Derivatemärkte sind selbst nach dem Crash weiterhin fast unkontrolliert – und deshalb weiterhin hochverwundbar. Das wissen die Regierungen heute und wussten es eigentlich schon fast immer. Bereits 1994 hat zum Beispiel die staatliche US-Aufsichtsbehörde GAO in einem großen Report das „Weiße Haus“ eindringlich vor nicht mehr akzeptablen Auswüchsen bei den Hedge-Fonds und Co. gewarnt. Vergeblich. Der damalige US-Notenbankchef Greenspan ließ stattdessen sehenden Auges im Komplott mit dem US-Finanzministerium, Wall Street und dem Rest der Welt die Druckmaschinen für Fresh Money anstellen, damit der Spekulation und den Derivatemärkten zu keiner Zeit die Luft ausging.

Was hat das gebracht? Die Immobilien-Blase und die heutige Weltwirtschaftskrise, weil seinerzeit fast alle blind mitverdienen wollten. Mittlerweile richtet sich die mit Steuergeldern finanzierte Spekulation aber nicht nur massiv gegen privates Geld, sondern auch gegen die Staatsanleihen selbst. Die Konsequenz: Nicht nur kleinere Länder wie Griechenland, Portugal und Spanien, sondern selbst die stärkste Supermacht der Welt steht wegen ihrer enormen Verschuldung vor dem finanziellen Bankrott. Hauptgläubiger der USA sind übrigens interessanterweise die Chinesen, die in der Vergangenheit reichlich US-Staatsanleihen gekauft haben.

Man fasst sich an den Kopf: Regierungen, die damals in naiver Kurzsichtigkeit die tollkühnsten Varianten von Hegde-Fonds zugelassen haben, müssen jetzt mit „Bad-Banks“ und Zentralbank-Krediten praktisch zu Null-Zinsen an Privatbanken und zusätzliche Solidar-Milliarden-Bürgschaften für marode fremde Staatsanleihen sicherstellen, dass die Spekulation weiter gegen sie zocken kann. Mein Befund: Das ist schizophren – und pervers.

Der Geldkreislauf des Bösen kann so nicht endlos weitergehen. Die Finanzwirtschaft muss schnellstens wieder an die Kette und an den Produktionskreislauf gekoppelt werden. Wenn die Regierungen – und vor allem die Experten in unseren Finanzministerien und Notenbanken – das nicht schaffen können oder wollen, muss der Wähler sie austauschen. Schnellstmöglich. Einfach weiter Durchwurschteln geht nicht mehr.

Viel Zeit zum Handeln bleibt nämlich nicht. Wenn schon international nichts läuft, sollte unsere Regierung auch im nationalen Alleingang den Banken deutliche Stopp-Signale setzen. Was bedeutet da schon die unheilvolle Warnung von Bankern, das Geld sei wie ein scheues Wild und drohe davonzulaufen, wenn man es beim Äsen erschrecke. Alles Panikmache. Ich frage mich: Wohin will es denn laufen?

Nur die Zinsschrauben für die Schuldner, um die Bevölkerung wie eine Zitrone weiter auszuquetschen. Der Ärger der griechischen Bevölkerung ist verständlich. Gegen Quittungen und ordentliches Finanzwesen haben die Griechen, auch die dortigen Taxifahrer nichts. Gegen Bereicherung von Einzelnen auf Kosten der griechischen Bevölkerung aber jede Menge. Wir werden noch viele Demonstrationen erleben.

Handelsblatt » Euro-Finanzminister stimmen Griechenland-Hilfen zu

Handelsblatt » Wie die Schweiz über Nacht ihre Griechen-Kredite entsorgte

Handelsblatt » Wir kaufen griechische Staatsanleihen!

Welt » Aus der EU wird ab sofort eine Transferunion

FTD » Und jetzt mal etwas Ernsthaftes zum Euro

Fortune » Debt roulette: Is Portugal next?

Daily Finance » After the IMF Bails Out Europe, the U.S. May Have to Bail Out the IMF

(See full article from DailyFinance:

MarketWatch » Greece agrees to historic bailout by euro zone and the IMF

New York Times » The Pain In Spain

Economist » Acropolis now The Greek debt crisis is spreading. Europe needs a bolder, broader solution—and quickly

Salon.com » Best Greek tragedy cover illustration ever

Wall Street Journal » Greece Gets Aid, Promises Austerity

Süddeutsche Zeitung » Die wahren Täter werden nicht bestraft

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