Ben Bernankes Dilemma der Maßstäbe am Mittwoch

Bush und Bernanke – Patentrezepte in der Krise?
von Susanne Schmitt
Politiker in aller Welt geben gerne Geld aus und verkaufen es als gute Tat – entweder für die Bürger oder für die Wirtschaft oder beides. Besonders beliebt ist das demonstrative Geldausgeben in wirtschaftlich schlechten Zeiten und vor Wahlen. US-Präsident Buch hat es gestern Abend wieder vorgemacht, als er in seiner letzten „Rede zur Lage der Nation“ ein umfangreiches Konjunkturprogramm zur Ankurbelung der Wirtschaft verkündete. „Stimulus“ nennen die Amerikaner das. Es hat ein Gesamtvolumen von 150 Milliarden Dollar (etwa 102 Mrd. Euro), von denen etwa zwei Drittel Privathaushalten zu Gute kommen sollen.

Im Prinzip haben wir damit einen Auftritt aus dem konjunkturpolitischen Lehrbuch erlebt
Das besagt nämlich, dass der Staat in wirtschaftlich schwachen Zeiten die Wirtschaft mit mehr Ausgaben wieder beleben soll. Eine ziemlich alte Weisheit, die von John Maynard Keynes stammt, der diese Theorie des so genannten „antizyklischen“ Eingreifens des Staates zu Beginn des letzten Jahrhunderts aufgestellt hat. Seitdem ist diese Form der Wirtschaftspolitik schon sehr häufig ausprobiert worden, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg.

Die Amerikaner setzen aber in der augenblicklichen Lage noch auf eine zweite Variante der Wirtschaftspolitik, die Geldpolitik. Anders als in Europa, wo die Zentralbank unabhängig von den Regierungen agieren kann, steht US-Notenbank-Chef Bernanke mehr in der Pflicht der Politik mit entsprechenden geldpolitischen Maßnahmen unter die Arme zu greifen.

Mehr Staatsausgaben – mehr Wachstum?

Bushs Rechnung ist simpel. Er benutzt ein einfaches Instrument der Fiskalpolitik. Er will die Steuern senken, um damit den Haushalten mehr Geld zur Verfügung zu stellen und hofft, dass die Amerikaner damit nicht ihre Kredite abzahlen oder gar sparen sondern dass dieses Geld sofort wieder in den Konsum fließt und damit die Wirtschaft wieder in Schwung kommt.

Bisher konnte man sich in dieser Hinsicht auf die amerikanischen Verbraucher immer verlassen. Sie geben ihr Geld lieber aus, als es auf die hohe Kante zu legen. Der private Konsum ist in den USA der größte Block im Bruttosozialprodukt, ohne den amerikanischen Konsumenten geht gar nichts.
Bushs Plan hat aber einen Haken. Diese nachfrageorientierte Politik des „deficit spending“ wirkt nur kurzfristig. Geht Bushs Rechnung auf, dann spüren die Amerikaner die Steuererleichterungen schnell, bis zum Wahltermin am 4. November hat sich die Wirtschaftslage wieder beruhigt und der republikanische Kandidat kann diesen Erfolg auf seine Fahnen schreiben.

Die grundsätzlichen Probleme der US-Wirtschaft sind damit nicht gelöst. Die Bush-Regierung sitzt auf einem Riesenberg Schulden, die vor allem wegen der immensen Ausgaben für den Irak-Krieg aufgenommen werden mussten. Außerdem hat Bush bisher eher die reichen Amerikaner bedacht, indem er die Spitzesteuersätze massiv senke. Wie es der Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz in einem Interview letzte Woche sagte: „Die Amtszeit von George W. Bush war bisher gut für reiche Menschen wie Microsoft-Gründer Bill Gates. Die breite Masse der Amerikaner verdient real jedoch immer weniger (als zuvor).“

Fiskalpolitik bei steigenden Preisen ist unwirksam

Niemand hat bisher offen darüber gesprochen. Aber in der gegenwärtigen Lage könnten wir auf ein Szenario zulaufen, das mit „Stagflation“ bezeichnet wird. Es ist eine Kombination der Wörter „Stagnation“, also Unterbeschäftigung in der Realwirtschaft, und „Inflation“, also steigende Preise.

Sowohl in Europa als auch in den USA sind die Inflationsraten im vergangenen Jahr höher als der langjährige Durchschnitt, in Europa stieg die Preissteigerungsrate zuletzt auf über 3%. Noch werden die hohen Raten mit Einmaleffekten erklärt (der Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland, der hohen Ölpreise) und man hofft, dass die Inflation sozusagen „von alleine“ wieder sinkt. Bleiben die Preise aber permanent hoch, so werden alle Steuererleichterungen wieder von den höheren Preisen „aufgefressen“, das Realeinkommen verändert sich nicht. Bushs schönes Programm könnte also verpuffen.

Aber da ist ja noch Ben Bernanke, der voraussichtlich morgen die Zinsen weiter senken wird. Amerikas Zentralbank hat anders als die Europäische Zentralbank zusätzlich die Aufgabe, die Wirtschaft zu stabilisieren. Die EZB muss alleine auf die Preisstabilität achten und hat demzufolge auch die Zinsen bisher nicht gesenkt.

In den USA steigen die Verbraucherpreise noch schneller, obwohl dort die Häuser billiger werden und die Konsumnachfrage nachlässt. Die Notenbank ist trotzdem noch relativ ungerührt, weil ihr Maßstab die „Kerninflationsrate“ ist, die von kurzfristigen Schwankungen frei sein soll. Darin sind die Preise für Lebensmittel und Energie nicht enthalten. Gerade die treiben aber derzeit die Verbraucherpreise nach oben.

Klassischerweise sinken die Preise in einer Abschwungsphase. Solange der Ölpreis hoch ist, ist das aber nicht der Fall. Bush und Bernanke stehen vor einem Dilemma. Kurzfristig könnte ihre Politik zum Erfolg führen, langfristig könnte die amerikanische Wirtschaft schlechter da stehen als zuvor. (aus Privatfinanz – Letter)

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