Finanzschlacht und die kaiserliche Marine

Die Kur wirft den Patienten um

„…Die derzeit angepeilten Lösungen entsprechen in ihrer Schädlichkeit fast der Krise selbst; die ginge irgendwann auch so vorbei. Die nun zu erfindenden neuen Bürokratien und wahrscheinlich vorbeizielenden Regelwerke dagegen werden sicher bleiben – so sicher wie die Sektsteuer, die ja nur mal vorübergehend die kaiserliche Marine finanzieren sollte. Wo ist eigentlich die kaiserliche Marine?

Einen Vorgeschmack bietet schon einmal das völlig sinnlose Verbot sogenannter Leerverkäufe von Aktien, also einer Spekulation auf fallende Kurse. Während es leicht umgangen werden kann, ist es ein massiver Eingriff in grundgesetzlich garantierte Eigentumsrechte. Die Gerichte werden dazu noch etwas sagen. Von solcher Qualität dürften die kommenden Neuregelungen auch sein, und nur eines scheint sicher: Die nächste Krise kommt eher wegen, und nicht trotz staatlicher Einmischung…“ (von Reinhard Schlieker | ZDF)

Geld weg, Schuldfrage offen

von Reinhard Schlieker | ZDF 23.9.08
Hat bei Entstehung und Ausbreitung der Finanzkrise wirklich der Markt versagt? Oder hat nicht staatliches Handeln den Boden erst bereitet; und dann die ganze Sache noch verschlimmert? Ein paar unbequeme Fragen zum Wesen der Krise müssen erlaubt sein.

Finanzmarktkrise überschattet UNO-Vollversammlung

Warnung von Scheitern im Kampf gegen die Armut

Die globale Finanzkrise hat den Auftakt der Generaldebatte zur 63. UNO-Vollversammlung in New York überschattet. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon sieht durch die Krise die Ziele der Weltorganisation bei der Armutsbekämpfung gefährdet.
Auch Ban zeichnete in seiner Eröffnungsrede ein düsteres Bild der Weltlage. Er nannte neben der Finanzkrise als weitere Bedrohungen die Lebensmittel- und Energiekrise sowie den Ausbruch neuer Kriege und Gewalt. „Die Finanzkrise gefährdet unsere gesamte Arbeit – die Finanzierung der Entwicklung, die Sozialausgaben der reichen und armen Länder, die Millenniumsziele“, sagte Ban bei der Eröffnung der UNO-Vollversammlung. Ban mahnte eine neue internationale Finanzordnung an, die auf Partnerschaft mit den Armen und Ärmsten setzt. „Wir brauchen ein neues Verständnis von Unternehmensethik und Führung, mit mehr Mitgefühl und weniger unkritischem Glauben in die „Magie“ des Marktes“, sagte Ban am Dienstag vor mehr als 100 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt.

Börse: Das Misstrauen bleibt

Das Misstrauen ist zäh: Der US-Aktienmarkt hat am Montag mit deutlichen Verlusten geschlossen. Dazu trugen Zweifel an den hohen Kosten sowie der Wirksamkeit des US-Rettungspakets für die Finanzbranche bei.

Paulson hat durch seine Forderung, „vergleichbare Maßnahmen“ zu ergreifen, die anderen Länder aufgefordert,  wie die USA neue Schulden aufzunehmen und Geld nach Bedarf zu drucken.

Verwirrung um Paulson-Aussage

„…Paulsons Aussagen waren auch als Appell an andere Staaten verstanden worden, sich an dem 700-Milliarden-Dollar-Rettungspaket der US-Regierung zu beteiligen. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte, es gebe keine solche Anfrage.
…US-Finanzminister Henry Paulson hatte andere Staaten aufgefordert, dem US-Beispiel zu folgen. „Wir haben ein globales Finanzsystem und wir reden sehr offensiv mit anderen Ländern rund um die Welt, um sie zu ermuntern, vergleichbare Maßnahmen zu ergreifen“, hatte Paulson am Wochenende dem US-Sender ABC gesagt…“

…unklar, wie die Krise weitergeht | 19.9.2008 ARD

„…Der Schweizer Finanz-Experte Professor Rudolf Volkart hält die akute Banken und Finanzkrise für eine „tiefgreifende Systemkrise“ als Folge einer exzessiven unverantwortlichen Kreditblase. Es sei „unmöglich, abzuschätzen, wie die kommenden Monate aussehen werden“, betonte der langjährige Leiter des Instituts für schweizerisches Bankwesen der Universität Zürich im Interview der Woche des SWR. „Man könne auch nicht sagen, dass „irgendjemand den vollständigen Überblick“ habe. Die Zentralbanken gingen aber „professionell“ vor und „agierten besser als in früheren Krisen“. Die weltweiten Verluste schätzt Volkart, wie der Internationale Währungsfonds, auf eine Billion Dollar. Alle Schätzungen derzeit aber sind nach Ansicht von Volkart unseriös, weil niemand weiß, wie lange die Krise noch anhält. Der langjährige Leiter des Instituts für Schweizerisches Bankenwesen der Universität Zürich geht von weiteren Bankenpleiten in den USA aus und „nach den Banken sind die Versicherungen dran“. Stimmen aus Deutschland, die von einer „primär amerikanischen Krise“ sprechen, bezeichnete der Bankenexperte als „Beruhigungspillen mit erhofftem Placebo-Effekt“…

Heute von Robert Hsu, Chefredakteur China Strategy in Good Morning Asia – Newsletter vom 22.09.2008 | © Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG:

„…was war das nur für eine Woche an den Weltbörsen – so etwas habe wir seit zwanzig Jahren nicht mehr erlebt. Erst ging es kräftig bergab, dann so hoch nach oben, dass es einem mulmig wird: Mit einem Doppelschlag haben Washington und Peking den Anlegern das Vertrauen zurück gegeben.
Wie erhofft haben sowohl die USA als auch China endlich reagiert – spät, aber nicht zu spät. Zunächst haben Amerika und Großbritannien das Short-Selling von rund 800 Finanzaktien zeitweise untersagt. Damit erhalten diese angeschlagenen Aktien einen Rettungsring zugeworfen. Die Haie, die sie umkreist haben, gehen leer aus. Ferner gaben gerade US-Präsident George W. Bush und Finanzminister Hank Paulson ein Notprogramm zur Übernahme von notleidenden Krediten bekannt.
Schließlich reagierten auch die chinesischen Finanz-Aufseher: Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua meldete, der Staatsfonds CIC werde Anteile an den drei größten Banken des Landes – Industrial & Commercial Bank of China, Bank of China und China Construction Bank – erwerben. Bei früheren Stützungsmaßnahmen hatte die Regierung auf direkte Käufe am Markt stets verzichtet. Zuvor hatte Peking die Zinsen und die Mindestreserve-Anforderungen für kleine Banken gesenkt…“

Heute von Sascha Mohaupt / Chefredakteur Investor´s Daybreak / 22.9.2008 | © Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG:

„…Nachdem die US-Regierung stets darauf bedacht war, den Märkten einen möglichst großen Handlungsspielraum zu geben, vollzieht sie eine Drehung um 180 Grad. Ausgerechnet die Vorreiter des Kapitalismus setzen auf staatliche Regulierungen, wie sie in diesem Ausmaß in anderen Ländern undenkbar wären. In die gleiche Richtung zielen auch die de facto Verstaatlichung des größten US-Versicherungskonzerns AIG sowie das verhängte Verbot von Leerverkäufen bei Finanzaktien.

Wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl in den USA stellt sich dabei die Frage: Handelt es sich wirklich ausschließlich um wirtschaftliche oder eher um eine politische Schadensbegrenzung? Meines Erachtens spielen hier auch politische Überlegungen eine Rolle. Der US-Wahlkampf befindet sich in der heißen Phase. Niemand aus dem Lager der Regierungspartei will einen Börsencrash kurz vor den Wahlen erleben.

Wirtschafts- und Finanzpolitik – seit jeher ein Steckenpferd der Republikaner – droht durch die sinkenden Aktienkurse als Wahlkampfthema für den Kandidaten der Republikaner zum Desaster zu werden. Mit 700 Mrd.. Dollar lässt sich den Kritikern republikanischer Wirtschaftspolitik eine Menge Wind aus den Segeln nehmen, falls sich die Erholung an den Aktienmärkten in den kommenden Wochen fortsetzt.
Die Ankündigung dieser umfassenden Maßnahmen bescherte den Aktienmärkten kurzfristig eine grandiose Erholung. Rund um den Globus legten die Indizes am Freitag zum Teil zweistellig zu. Was ihre langfristige Wirkung angeht, so gehen die Einschätzungen jedoch weit auseinander.

Ich beurteile diesen Vertrauen bildenden Schritt positiv, warne jedoch vor zu viel Optimismus. Ich bezweifle, dass wir in den kommenden Monaten einen Großteil der Jahresverluste wieder aufholen. Für wahrscheinlicher halte ich eine Seitwärtsbewegung unter weiterhin hohen Kursschwankungen. Aber wenn wir in einigen Jahren auf die Finanzkrise zurück blicken, werden wir das 700 Mrd. Dollar Rettungspaket als einen der entscheidenden Faktor für die (letztlich erfolgreiche) Bekämpfung der Krise und die Stabilisierung der Aktienmärkte ausmachen können. Auch wenn wir das in den kommenden Wochen (noch) nicht an den Aktienmärkten sehen…“

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