Regeln Ausnahmen Regeln Ausnahmen – was denn nun

Normalerweise geht es an amerikanischen Börsenfeiertagen auch an den europäischen Börsen relativ ruhig zu; die Handelsumsätze nehmen bei Abstinenz der US-Markteilnehmer auch in Frankfurt in der Regel spürbar ab. Ein altes Sprichwort sagt aber: „Ausnahmen bestätigen die Regel“; eine solche Ausnahme konnte am vergangenen Monatag eindrucksvoll beobachtet werden. An diesem Tag rauschten viele Aktienmärkte in den Keller, wichtige charttechnische Unterstützungsmarken boten nicht einmal ansatzweise einen Haltepunkt. Am Dienstagmorgen verstärkte sich der Abwärtsdruck am europäischen Aktienmarkt noch einmal; an der Wall Street wurde mit einem ähnlichen Crash gerechnet, so dass sich die US-Notenbank genötigt sah, mit einer außerordentlichen Zinssenkung um 75 Basispunkte in das Marktgeschehen einzugreifen.

Über die Ursache des Kurssturzes konnte zunächst nur spekuliert werden

Die Vereinigten Staaten stehen nach Meinung vieler Experten vor einer Rezession. Dies stellt auch einen wesentlichen Grund dar, warum die Aktienmärkte in den Vorwochen schon sehr schwach notierten. Daher spekulierten viele, dass die weiterhin negativen US-Konjunkturaussichten und die Kreditkrise den wesentlichen Grund für den Einbruch am Markt darstellen. Allerdings waren diese Informationen am Markt schon sehr weit verbreitet, so dass der massive Abgabedruck zu Beginn der Woche für viele Marktteilnehmer doch sehr überraschend kam. Am Donnerstag wurde schließlich deutlich, warum die Kursabschläge solche dramatische Formen annahmen.

So wurde an diesem Tag bekannt, dass ein Händler der französischen Société Générale ohne Wissen der Bank ein „gigantisches Rad“ am Kapitalmarkt drehte. Insgesamt habe der Händler Jérôme Kerviel nach Informationen des „Wallstreet Journal“ Positionen im Umfang von rund 50 Milliarden Euro aufgebaut. Als die Bank am vergangenen Wochenende von diesen Spekulationen erfuhr, entschied sie sich, diese riesige Position schnellstmöglich abzubauen.

Die Folge war, dass das Auflösen dieser Position an den weltweiten Aktienmärkten zu Beginn der Woche einen massiven Verkaufsdruck auslöste, so dass sich der Verlust der Société Générale auf insgesamt 4,9 Mrd. Euro belief. Im Nachhinein ist es daher wenig verwunderlich, warum die Kurse zu Beginn der Woche so stark unter Druck gerieten.

Der Fall Kerviel zeigt eine Schwachstelle vieler Finanzinstitute
Jetzt stellt sich die Frage, warum ein einzelner „kleiner Händler“ diese riesigen Positionen solange geheim halten konnte und die Innenrevision der französischen Großbank nichts merkte. Zwar soll Kerviel über ausgezeichnete Kenntnisse verfügt haben, wie man diese Positionen verschleiert; bei dieser enormen Summe muss es aber dennoch enorme Fehler im Kontrollsystem der Société Générale gegeben haben. Zudem bezweifeln Experten, dass nur Kerviel von den Spekulationen Kenntnis hatte; was bei einer Position von 50 Milliarden Euro nur allzu verständlich ist.

Dass einzelne Händler ganze Banken in den Ruin stürzen können, wurde in der Vergangenheit schon mehrfach eindrucksvoll dokumentiert. So führte der Trader Nick Leeson die englische Traditionsbank Barings durch Verschleierung von gigantischen Spekulationen vor 12 Jahren sogar in die „Beinahe-Pleite“. In Deutschland traf es bereits im Jahr 1974 die Kölner Herstatt Bank. Damals setzte sich eine Gruppe junger Devisenhändler angeführt von Dany Dattel, über die Kontrollsysteme der Bank hinweg; am Ende fehlten rund 1,2 Mrd. DM in den Kassen der Bank. Die Ereignisse zeigen, warum eine funktionierende Kontrolle innerhalb der Finanzinstitute von entscheidender Bedeutung ist.


Auswirkungen der Fehlspekulation am deutschen Markt gravierend
Die Lage an den internationalen Aktienmärkten war schon vor den dramatischen Ereignissen sehr angespannt. Daher verwundert es nicht, warum das Auflösen von Positionen im Wert von 50 Mrd. Euro ein weltweites Erdbeben auslöste. So soll der mittlerweile ehemalige Händler Kerviel besonders stark auf einen steigenden Aktienindex DAX gesetzt haben. Laut Pariser Händlerkreisen hat Kerviel rund 140.000 DAX-Future Kontrakte gekauft. Setzt man mittels einer Longposition auf einen Anstieg beim DAX-Future, so erzielt man mit einem Kontrakt durch einen Anstieg des DAX-Futures einen Gewinn von 25 Euro pro Indexpunkt. Hingegen wird das Konto des jeweiligen Händlers durch einen Rückgang mit 25 Euro belastet. Daher stellt der DAX-Future ein gutes Instrument dar, um auf einen steigenden oder fallenden Aktienmarkt in Deutschland zu setzen. Möchte man beispielsweise auf einen fallenden DAX-Future setzen, so kann man mit einer Shortposition 25 Euro pro Kontrakt bei einem Rückgang von einem Punkt erzielen; ein Anstieg belastet bei einer solchen Position das Konto des Händlers um 25 Euro je Punkt.

Besteht – wie durch Pariser Händlerkreise angenommen – eine Longposition von 140.000 Kontrakten, so fällt jeder Minuspunkt beim DAX-Future mit immerhin 3,5 Mio. Euro ins Gewicht. Ein Rückgang des DAX-Futures von 100 Punkten würde demnach einen Verlust von 350 Mio. Euro induzieren. Bei starken Marktschwankungen kann daher bei einer solch großen Future-Positon der Verlust oder der Gewinn für gewöhnliche Anleger ins Unermessliche steigen.

In der heutigen vernetzten Welt ist der Future-Markt (Terminmarkt) sehr stark mit dem normalen Aktienmarkt (Kassamarkt) verknüpft. Versucht ein sehr großer Marktteilnehmer 140.000 Longpositionen zu schließen, so löst dies auch einen erheblichen Druck auf den Kassamarkt aus. Dank der Medien, welche über die Kursrückgänge berichteten, stiegen die Nervosität und die Abgabebereitschaft bei vielen Anlegern zusätzlich. Zudem wird in einer solchen Situation oft aufgrund der gestiegenen Angst von kleinen Aktien in große Aktien umgeschichtet. Daher geriet der gesamte deutsche Aktienmarkt im Zeitraum von Montag bis Mittwoch – global gesehen – besonders stark unter Druck. Die hohe Volatilität dokumentiert, wie groß die Nervosität unter den Marktteilnehmern war.


Aktien in Paniksituation zu verkaufen ist nicht immer die beste Wahl

Die Entscheidung vieler Aktionäre, bei drastischen Kursstürzen Verkaufsorders aufzugeben, ist nur all zu verständlich. Die Medien beschreiben düstere Zukunftsszenarien, die Angst regierte an der Börse. Allerdings sollte jedem Anleger bewusst sein, dass er gerade in solchen Situationen, wo viele Aktien auf dem Markt angeboten werden, nur einen sehr niedrigen Preis für seine Aktien erzielen kann. Dieses Verhalten kann daher die Rendite, welche sich am Aktienmarkt langfristig erzielen lässt, mehr als nur erheblich schmälern. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es nach Einbrüchen auch immer schnell zu Gegenbewegungen kommen kann, so dass ein „Halten“ der Aktien oder sogar ein Neu-Engagement oftmals lohnenswert ist. (nach INVESTORALERT)

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