Demokratischer Sozialismus

und „vorsorgender Sozialstaat“, das waren neben dem noch am Ende nachgeschobenen ökologischen Nachtisch von „130 km/h Limit“ auf der Autobahn die wesentlichen Sirenengesänge des Parteitages der SPD und des auferstandenen Vaters Becks am Wochenende. Anne Will hat es am Sonntag zu Beginn ihrer Sendung treffend zusammengefasst: „…3 Tage Reha-Maßnahme für die Partei…“ und in einem anderem Kommentar wurde festgestellt, dass sich die SPD ein Wohlfühlprogramm verordnet habe.

Demokratischer Sozialismus wurde zuletzt in dem Prager Frühling der CSSR 1968 treibende Kraft für Veränderungen – für den Weg aus dem totalitären Regime unter der kommunistischen Partei. Die wesentlichen Kernpunkte des damaligen Programms der Bevölkerung war die soziale Marktwirtschaft, abschaffen der Planwirtschaft und in der Verfassung verbrieften Persönlichkeitsrechte der Bürger – nach dem Prinzip: was du nicht willst, dass man es dir antut, tu es anderen nicht an. Damals hat es 14 Millionen Menschen in der CSSR von Februar bis zum 21.8.68 tief bewegt und sie haben sich dafür engagiert – bis die Staaten des Warschauer Paktes diese aufkeimende Freiheit mit Panzern und tausenden Soldaten in einer von der damaligen Sowjetunion verordneten Solidaraktion zusammengetrampelt haben. Die Soldaten auf den Panzern haben nicht verstanden, worum es gegangen ist.

Demokratischer Sozialismus hat weder vorher noch nachher je eine politisch wirksame Rolle in der alltäglichen Lebensgestaltung eines Staates gespielt. Der Begriff des „Demokratischen Sozialismus“ wurde bislang immer nur dann bemüht, wenn den Leuten auf der Straße Sand in die Augen gestreut werden sollte; mit einem Begriff, der Hoffnungen aus einem Wortpaar weckt. Hoffnungen, für deren Umsetzung es kaum in der Gesellschaft des 21. Jahrhundert konsensfähige Programme gibt. Auch das nun auf dem SPD Parteitag verabschiedete Programm ist in erster Linie ein Beschwichtigungs- auch ein Wahlprogramm – nach den Wahlen kann sich dann das Wahlvolk wieder über Wahllügen trefflich streiten. Hatten wir schon mal. Nach jeder Wahl. Liegt wohl daran, das Politik heute nicht die Ernsthafte sonder die Gewinnende sein soll. Auch in die Politik ist der Profit eingezogen und die Werte der Zukunft und des Zusammenlebens auf der Strecke geblieben. Schade.

Der Demokratischer Sozialismus mit menschlichen Gesicht wurde im Prager Frühling 1968 eine Chance, mitten in Europa in einer Laborsituation zwischen den Blöcken zu versuchen, eine Gesellschaft aufzubauen, die Probleme der damaligen westlichen und östlichen Blöcke durch eine Synthese von für alle profitablen Anteilen der jeweiligen Gesellschaftsform zu lösen. Das durften die Menschen 1968 nicht versuchen.

Jetzt sind durch die verschiedenen Wenden in den Staaten des ehemaligen Ostblocks kapitalistische Strukturen möglich, die Demokratie wird zaghaft und mühsam entlang von Mafiastrukturen der ehemaligen Seilschaften entwickelt. Ein langwieriger Prozess mit vielen Verlusten und zerschlagenen Einzelbiographien.

Wenn wir gerade mit einem Machtmonopol der vier Energieriesen in der Bundesrepublik um ein Maßhalten bei der Strompreisgestaltung kämpfen, die Bahn an der Börse verscherbeln wollen und die arbeitenden Menschen mit Wachstum behindernden Steuern belasten, dann ist es eine Lachnummer, wenn ein Parteitag zum Ausbruch in den Demokratischen Sozialismus aufruft – zumal nicht einmal die Parteiführung weiß, was es ist. Es handelt sich also doch wieder nur um geschickt eingefädelte Wahlpropaganda, die sollte sie am Wahlabend zum Erfolg führen, wieder in einer Enttäuschung der Wähler enden wird. Demokratischer Sozialismus ist ein Prozess von allen Gesellschaftsgruppen und kann nicht gewählt, sondern kann nur gestaltet werden, während man versucht, es zu leben.

Bezeichnender Weise musste Exkanzler Gerhard Schröder bei dem Parteitag von dem „Basta“ den Weg zu Flexibilität durch seinen persönlichen Auftritt frei machen. Die Agenda 2010 darf in Frage gestellt werden und zu einer Agenda 2009 umgefräst werden – dann sind nämlich die Wahlen, um die es eigentlich jetzt schon geht. Mit Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit hat es nichts zu Tun, es ist nur eine Reklame für einen Produkt, das keiner kennt.

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